Nur wenige Monate nach der erfolgreichen Premiere in Lausanne habe ich das Vergnügen, diese durch und durch französische Produktion am kleinen Grand Théâtre in Tours noch einmal zu neuem Leben zu erwecken. Diesmal in der von Massanet nachträglich verfassten Variante mit der Titelrolle als Bariton. Das ändert natürlich einiges, denn nun stehen sich zwei stimmlich identische Alphatiere in ihrem Kampf um die (vermeintlich) wahre und einzige Liebe gegenüber. Es ist wahnsinnig interessant, eine Produktion unter solch einer Veränderung noch einmal neu zu denken und zu erarbeiten.

In der von Vincent Boussard erdachten intensiven Überlagerung von Wunsch und Wirklichkeit, in der wie in einem Vexierspiel die parallelen Liebeskonflikte sichtbar übereinander gelegt werden, kommt es dabei nicht nur zu spannenden Parallelen des Ringens um Verstand und Gefühl, sondern zu einer extremen Steigerung des Leidens und Leidensbewusstseins der Figuren. Wie in einer Falle, aus der es kein Entkommen gibt, verwickelt sich Werthers Liebe zu Charlotte, die mit dem von ihrem Ehemann Albert als Liebe missverstandenen Besitzanspruch kontrastiert. Gleichzeitig dominiert Sophies Verlangen nach Liebe und Wahrnehmung durch Werther die Szene im 2. Akt. Werthers rein poetisches Erleben der Wirklichkeit als Akt poetischer Schöpfung
ermöglicht eine weitere, fast irreale Ebene des Miteinanders, durch welche der vierte Akt als Dreieckskonflikt weitererzählt werden kann, an dessen Ende nicht nur der Freitod des Protagonisten, sondern auch das Scheitern der Ehekonventionen zwischen Charlotte und Albert konsequent zu Ende gedacht werden.

Werther – Régis Mengus
Charlotte – Heloise Mas
Albert – Mikhail Thimoschenko
Sophie – Marie Lys

Premiere in Tours am 30. September 2022, weitere Aufführungen am 02. und 04. Oktober

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